Dreidimensionale, konkrete Kunst in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg entsteht oft durch „Faltungen“. Ich habe Ben Muthofer, Peter Weber und Eberhard Fiebig in den vergangenen Tagen vorgestellt. Hier nochmals ein einführender Text zum Falten – aus einem Interview mit Eberhard Fiebig:
„Sie falten Blech. Warum? Wie sind Sie dazu gekommen? Was denken Sie sich dabei?
Die Falte: Jedes Herstellen basiert auf der Verwandlung von Material. Das liegt in einer bestimmten Form vor: die Metalle als Draht, Rohr, Profil oder Blech. In jeder dieser Vorformen ist der weitere Verwendungszweck schon vorweggenommen: Durch einen Draht können wir Strom leiten, aber kein Wasser. Durch ein Rohr können wir Flüssigkeiten und Gase leiten, usw. Ich habe mich für das Blech entschieden.

Eberhard Fiebig, 1993, Skulptur „Modulor“, Frankfurt am Main
Wenn von Skulpturen die Rede ist, denken wir in der Regel an voluminöse Gegenstände aus Holz oder aus Stein, aus deren Masse die Skulptur heraus geschält wird. Dem Blech fehlt dieses Volumen. Es ist ein dünner Körper; weil es einem Blatt ähnlich ist, nenne ich es einen Blattkörper. Wir können das Blech nicht so bearbeiten und verformen wie den Stein oder das Holz. Für alle Blattkörper ist die Faltung das gestaltgebende Prinzip.
Das Falten ist eine einfache, uralte, elementare Handlung. Wir begegnen der Falte auch in der Natur: unsere Haut ist gefaltet, die Blätter sind gefaltet, unser Gehirn ist gefaltet, …
Die Falte für sich genommen ist charakterlos, aber nehmen Sie ein Stück Papier: Sie versuchen es hinzustellen, es fällt um. Dann falten Sie es, und auf einmal bleibt es stehen, es bildet ein Dach oder ein Winkelprofil. Sie haben eine Kante erzeugt, welche den Blattkörper in vier Flächen aufteilt, und es hat sich ein Außen und ein Innen gebildet. Durch einen einzigen Akt haben Sie Qualitäten erzeugt, die der ursprüngliche Blattkörper nicht besaß.
Die Falte zieht sich durch alles hindurch, was Sie tun. Ist es ein Gerüst geworden, an dem sich Kunst festmachen kann?
Falten ist Teil unserer täglichen Praxis. Dann gibt es spielerische Verfahren, bei denen das Falten eine dominierende Rolle spielt. Denken Sie an Origami: Durch methodisches Falten wird versucht, Figuren zu erzeugen. Die Origami-Leute haben dabei einen konkreten Gegenstand vor Augen, den sie nachbilden wollen. Sie verhalten sich wie der Maler, der sagt: Ich will das Pferd, das ich sehe, abbilden. In Wirklichkeit bildet er das Pferd nicht ab, sein Bild ist vielmehr eine Abstraktion von dem, was er sieht. Abstrakt sind nicht die Flecken auf der Leinwand: die sind konkret. Aber das nachgemalte Pferd, das ist eine Abstraktion. Die Kunsthistoriker stellen diesen Sachverhalt in der Regel auf den Kopf.
Was ich mache, ähnelt dem, was die Origamisten tun, nur in sofern, als ich, wie diese, falte. Aber während jene versuchen, einen Doppeldecker oder eine Rose durch falten nachzubilden, interessiert mich: Was kann ich aus dem Material heraus in einer Folge von nachvollziehbaren Schritten an Neuem gewinnen, etwas, das so noch nicht existiert?“
Quelle: Eberhard Fiebig: Kunstwerk ist Handwerk, Plädoyer für eine Produktionsästhetik, Sozialistische Zeitung Nr. 12/2010, online unter: http://www.sozonline.de/2010/12/eberhard-fiebig-kunstwerk-ist-handwerk/, aufgerufen am 25.01.2019
Hochinteressant: bitte mehr davon. Liebe Grüße
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dto. -:))
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