Noch einmal zurück zur Grupo Ruptura: Bei der Gründung der „Grupo Ruptura“ 1952 in Sao Paulo, unterzeichnen sieben Künstler ein Manifest mit ihren Ideen zu „Ruptura“ – auf Deutsch „Bruch, Riss, … .“ Davon habe ich vorgestern bereits geschrieben.
Das Manifest stellt im Wesentlichen fest, dass die Gegenständlichkeit in der Kunst ihre historische Funktion in der Vergangenheit erschöpft hat. Die Gegenständlichkeit wird in der Gegenwart nicht mehr benötigt. Die Künstler der Gruppe lehnen daher jede Gegenständlichkeit, ebenso wie auch jede Art von individuellem oder symbolischem Expressionismus ab. Sie verlangen einen radikalen Bruch mit dem Alten. Dabei distanzieren sie sich insbesondere auch von der gegenständlichen Avantgarde – der bis dato dominierende Bewegung zur Mitte des Jahrhunderts in Brasilien.
Das Manifest benennt die neuen Werte für die bildende Kunst: „Raum-Zeit, Bewegung und Materie“. Diese neuen oder erneuerten Werte für die Kunst eröffnen – so die Künstler im Manifest weiter – viele neue Möglichkeiten und können das Spektrum der praktischen Anwendungen der Kunst erweitern. Dies umso mehr, wenn die „künstlerische Intuition“ durch klare und objektive Prinzipien kanalisiert wird.
„arte moderna não é ignorância, nós somos contra a ignorânciá. – Moderne Kunst ist nicht Ignoranz, wir sind gegen Ignoranz“
Noch einige Worte zur Entstehung und zur Bedeutung des Manifests: Obwohl das Manifest von allen Mitgliedern der „Grupo Ruptura“ unterzeichnet wurde, besteht kein Zweifel daran, dass es von Waldemar Cordeiro geschrieben wurde. Viele der Argumente und bestimmte Phrasen in dem Manifest finden sich identisch in einigen der Artikel und Essays, die er in verschiedenen brasilianischen Zeitungen zu dieser Zeit veröffentlicht hat. Das Manifest bringt erstmals in Brasilien die Argumente zur Abgrenzung der Konkreten Kunst von Gegenständlichkeit und abstraktem Expressionismus zu Papier und treibt damit einen Keil zwischen die verschiedenen Kunstauffassungen. Die Gegenreaktion lässt nicht lange auf sich warten: Der Kunstkritiker Sérgio Milliet veröffentlichte bereits vier Tage nach der Gründung der Gruppe und der Veröffentlichung des Manifests eine Gegenargumentation in der führenden Tageszeitung in São Paulo. Der öffentliche Argumentationsaustausch wird von Waldemar Cordeiro weitergeführt: Auch er veröffentlich wenige Wochen nach dem Manifest nochmals einige Texte in Tageszeitungen in São Paulo, die die Position der Gruppe erläutern und stärken sollen.
