Ich habe in diesem Blog schon zweimal über Frank Stella geschrieben. Jetzt bin ich wieder über ihn gestolpert – in einem fast 30 Jahre alten art-Magazin habe ich eine ausführlichen, lesenswerten Bericht über den Künstler gefunden. Hier ein Auszug, in dem es mal wieder um die Black Paintings geht:
„Der junge Stella – fasziniert von der Konsequenz, mit der die damals noch lebenden New Yorker Künstler Barnett Newman, Mark Rothko und Ad Reinhardt die reine ungegenständliche Malerei betrieben – bedeckte „wie ein Lackierer“ seine Leinwände mit sieben Zentimeter breiten schwarzen Streifen mit jeweils einer Fingerbreite Abstand zum nächsten Streifen. Das war alles. Eine strenge Parallel-Aktion.

Frank Stella, Die Ehe von Vernunft und Elend II, 1959
Abwechslung kam nur dadurch zustande, daß die rechtwinklig gezogenen oder diagonal geführten Streifen durch gespiegelte Symmetrien fein gesponnene Muster aus Dreiecken, Trapezen und Rhomben ergaben. Je nach Annäherung lassen sich solche Strukturen sowohl flächig als auch perspektivisch betrachten. Ein sich in der Tiefe verlierender Raum scheint auf. Diese Sehweise lehnt Stella jedoch entschieden ab. Denn jede Fiktion ist ihm zuwider. Sein Credo : „Man sieht, was man sieht.“ Die abstrakte Kunst soll keine Illusionen erzeugen. Sie soll so sein, wie sie tatsächlich ist: real, ohne Inhalt und ohne unterlegte Bedeutung.
Die Bilder stehen nur für sich selbst. Stella will, daß Malerei erfinderisch ist, aber sie darf nichts illustrieren: „Figur und Grund sind Altlasten der Kunst“, sagt er, die zu beseitigen sind. Das Erzählen überläßt er der Literatur. Abgelehnt wird auch die Komposition, dieses Ausbalancieren und Zuordnen nach Gewicht, Kontrast und Hierar- chie. Darum haben Stellas frühe Bilder keinen Anfang und keinen Schluß, keinen Schwerpunkt, keine Individualität, weder Vordergrund noch Hintergrund. Beginn und Ende werden allein durch die Abmessungen der Leinwand definiert. Die gemalten Streifen befinden sich gewissermaßen auf der Durchreise, sie hinterlassen ihre gleichmütigen und vollkommen regelmäßigen Spuren der Wiederholung auf Bildern, die nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit sind.
Der ganze Text und eben auch dieser Auszug findet sich: Peter M. Bode, „Kalkül und chaotische Leidenschaften“, in art-Magazin, 09/1989, S. 32ff.
Siehe auch:
Frank Stella: von „Black Paintings“ und „Shaped Canveses“
Wie so oft, v.a. bei Konkreten Werken bedauere ich, unter annehmbaren Aufwand (vom Sofa aus 🙂 nur eine Abbildung, aber nicht das Werk selbst sehen zu können.
Der Satz einer Galeristin fällt mir dazu immer wieder ein:
“Gute Kunst ist in der Realität besser als im Katalog.
Schlechte Kunst ist im Katalog besser als in der Realität.“
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Wie wahr! Viele moderne Kunstwerke wirken tatsächlich nur, wenn man in der Realität vor ihnen steht. Insbesondere bei geometrischer Kunst oder Op-Art geht es mir fast immer so, dass ich von der Realität begeistert bin, oft aber die Katalogbilder langweilig finde. Vor einem wirklichen Vasarely zu stehen ist etwas anderes, als einen Kunstdruck von ihm an der Wand zu haben.
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Ich war auch in Stuttgart bei der Sammlung Teufel und fand auch sehr interessant zu sehen, wie die Arbeiten handwerklich gemacht sind. Z.b. Stankowskis diagonale Streifen. Soweit ich das erkennen konnte hat er die nicht mit Abklebungen gearbeitet, sondern alles vorgezeichnet und dann die Flächen einzeln ausgemalt!
Für neugierige Mitleser: Hab dieses Bild nicht online gegunden, aber ein ähnliches in recht guter Auflösung:
http://www.kettererkunst.de/image-max.php?obnr=115001425&anummer=429&ebene=0&ext=0
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„Man sieht, was man sieht“ – Ein Satz der mir grundsätzlich sympathisch ist, vor allem weil ich (vermutlich von Geburt an) kein räumliches Sehen habe, also nicht wirklich weiß, wie Menschen mit räumlichem Sehen die Dinge sehen. Ich selbst habe übrigens nicht das Gefühl, nicht räumlich zu sehen, hatte als Autofahrerin nie ein Problem, meinen Bremsweg richtig einzuschätzen, …. Bei Kunstbetrachtungen mag das schwieriger sein. Da sehe ich eben was ich sehe. Aber während ich sehe, lässt sich (wie beim Lesen erwünscht) mein Kopfkino nicht ausschalten. Nichts anderes in einem Werk zu sehen als das, was der Künstler mir zugesteht, ist mir unmöglich und empfinde ich auch als Zumutung. Genauso könnte man im Museum ein Kreuz auf den Fußboden malen, um den Standort zu bestimmen, von dem aus ein Besucher ein Werk zu betrachten hat.
Mein unvergesslichster „Ausstellungsbesuch“ war, als die Kuratoren einer Ausstellung, die noch gar nicht aufgebaut/gehängt war, durch die leeren Räume des Gropius-Baus führten und voller Begeisterung erläuterten, welches Werk wo geplant war und wie diese Werke miteinander kommunizieren würden. Das Grüppchen von Sponsoren, Leihgebern, Mitarbeitern (Leute also, welche die Künstler und die Arbeiten kannten), … folgte, starrte an die Wände und war vollkommen gebannt. Kopfkino ausgelöst durch die Begeisterung zweier Kuratoren. Zum Niederknien.
„Die Ehe von Vernunft und Elend II“ stelle ich mir sehr beeindruckend und von großer ästhetischer Kraft vor. Dazu genügt mir im Moment die kleine Abbildung oben. Maler sollen malen und mich sehen lassen, was ich sehe. Alles andere wäre eine Diktatur der Kunst.
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