Alighiero Boetti und seine gestickten Weltkarten

Die wohl bekanntesten Werke von Alighiero Boetti, den ich vorgestern hier vorgestellt habe, sind gestickte Weltkarten – schlicht ‚Mappa‘ betitelt!

Während des Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 beginnt Alighiero Boetti damit, Zeitungsausschnitt mit Karten von Kriegsgebieten zu sammeln. Er bittet seine Frau, die Formen der Kriegsverlaufskarte des Sechs-Tage-Krieges für ihn zu sticken. Begeistert von Ergebnis verfeinert er die Idee der gestickten Karten und – während Aufenthalten in Afghanistan in den siebziger Jahren – entstehen eine Vielzahl eben solcher gestickter Karten.

Zwischen 1971 und 1979 gründet und führt Alighieri Boetti mit einem Freund das One Hotel in Kabul als eine Art künstlerische Gemeinde und erschafft die großen bunte Stickereien, von denen die bekanntesten eben die ‚Mappa‘ waren: Weltkarten, auf denen jedes Land das Design seiner Nationalflagge trägt. 1971 beauftragt Alighiero Boetti Frauen an einer Stickschule in Kabul, seine erste Karte zu sticken. Anfangs wollte er nur eine herstellen, gibt aber nach 1971 noch ungefähr 150 weitere gestickte Karten in Auftrag, wobei keine zwei genau die gleichen Abmessungen besitzen.

Mappa, 1978 - Alighiero Boetti
Aligiero Boetti, Mappa, 1978
Quelle: WikiArt, (c) FairUse

Alighiero Boettis Karten spiegeln eine sich verändernde geopolitische Welt von 1971 bis 1994 wider, eine Zeit, die den Zusammenbruch der Sowjetunion und den Fall der Berliner Mauer beinhaltet. Die gestickten Karten sind das Ergebnis eines kollaborativen Prozesses, bei dem das Design den geopolitischen Realitäten der Zeit und die Auswahl der Farben den für die Stickerei verantwortlichen Stickerinnen überlassen wird.

Das Sticken jeder Karte dauert normalerweise ein bis zwei Jahre und in einigen Fällen aufgrund geopolitischer Ereignisse viel länger. Nach der Schließung der afghanischen Grenze ist Alighiero Boetti gezwungen von Italien aus zu arbeiten. In seinem Atelier in Rom umreißt er die Länder mit einem Filzstift auf Leinen, bevor er den Stoffrahmen zum Aussticken nach Afghanistan schickt. Nach der Invasion sowjetischer Truppen in Afghanistan im Jahr 1979 verlagert er die Produktion vollständig von Kabul nach Peshawar in Pakistan, wo die Gruppe afghanischer Frauen Zuflucht gesucht hat und Alighiero Boetti sich nur über Zwischenhändler wieder mit ihnen verbinden kann. Die Produktion wird, trotz diverser Schwierigkeiten und mit vielen Unterbrechungen bis zum Tode des Künstler im Jahre 1994 weitergeführt.

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