Hans Jörg Glattfelder ist einer der wichtigsten Schweizer Konkreten Künstler der Nachkriegszeit. 2016 hat er den Ruppert Preis für Konkrete Kunst erhalten.
Im Katalog der Sammlung Teufel habe ich eine – meiner Ansicht nach recht lesenswerte – Vorstellung von Hans Jörg Glattfelder gefunden:
„Hans Jörg Glattfelder hat jahrzehntelang in Italien gelebt. ln Florenz und später in Mailand traf er immer wieder auf die große Errungenschaft aus der Renaissance: die Zentralperspektive, die für den malerischen lllusionismus die notwendige Voraussetzung darstellt. In der Renaissance gab es noch keine Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Ein homo universalis wie Leonardo da Vinci war sowohl Forscher und genialer Erfinder als auch Künstler. Heute ist die Trennung in Natur- und Geisteswissenschaften durch ihre inhaltliche Komplexität kaum mehr zu überwinden. Dem möchte sich Glattfelder nicht fügen. Ihm ist es ein Anliegen, sinnlich erfahrbare Bilder für undarstellbare physikalische Erkenntnisse zu erschaffen. Dass diese Bilder nicht die wirklichen Gegebenheiten wiedergeben können, sondern immer nur als eine Art Metapher fungieren, ist ihm wohl bewusst. Seit 1977 spricht er deshalb von ’nicht-euklidischen Metaphern‘, um der Tatsache gerecht zu werden, dass es kein visuelles Modell für die jüngsten Formeln einer nach-euklidischen Mathematik geben kann. Wie lässt sich Einsteins komplexe Relativitätstheorie ins Bild übersetzen? Was bedeutet es, wenn es Einstein gelingt, die Raum-Zeit-Einheit zu definieren, die jedoch unserer täglichen Erfahrung eines linearen Zeitverlaufs widerspricht?
Im 20. Jahrhundert hat sich in einzigartiger Weise offenbart, dass unsere sinnliche Erfahrung nicht der mathematlsoh-physikalischen Wirklichkeit entspricht. Der lllusionismus stellt keine adäquate künstlerische Lösung dar, um dem heutigen Wissensstand gerecht zu werden.“
Quelle: Simone Schimpf: „Hans Jörg Glattfelder“, in: Konkret. Die Sammlung Heinz und Annette Teufel im Kunstmuseum Stuttgart, Bestandskatalog Bd. 1, Stuttgart, 2009, S. 136
Beispiele zur Umsetzung der ’nicht-euklidischen Metaphern‘ finden sich unter: Hans Jörg Glattfelder – nicht-euklidische Metaphern
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