Raimund Girke – über den ich bereits vorgestern kurz geschrieben habe – ergründet mit seinen Werke die Farbe Weiß. Nach einem Kunststudium in Hannover und Düsseldorf wendet er sich Mitte der fünfziger Jahre der gestisch-rhythmischen Abstraktion des sogenannten ‚Informel‘ zu – einer künstlerischen Haltung. die das klassische Form- und Kompositionsprinzip ebenso ablehnt wie die geometrische Abstraktion.
In den sechziger Jahren löst er sich vom Informel und beginnt seine Untersuchungen mit der Farbe Weiß. Er setzt sich mit der Farbe und dem Bildraum auseinander – zunächst noch durch gestische Techniken, wie durch klare Pinselstriche oder durch Spachtelauftrag der weißen Farbe. Später trägt er die Farbe nur noch mit Spritzpistolen auf und minimiert damit die künstlerische Handschrift beim Auftragen der Farbe. Die entstehenden, monochronen, weißen Flächen lassen die Struktur der Bildfläche erkennen. Raimund Girke wird damit endgültig zum ‚Maler des Weißes‘
Im Frühjahr diesen Jahres ehrt das Museum Küppersmühle in Duisburg den Maler mit einer Retrospektive. In einer Einführung wird der künstlerische Werdegang beschrieben: „Ausgehend von gestisch-informeller Abstraktion gelangte Raimund Girke gegen Ende der 1950er-Jahre zu beinahe monochromen Bildern. Er reduzierte seine Palette auf wenige Farben und thematisierte diese als Lichterscheinungen, die er auf verschiedene Weise bis hin zur optischen Irritation rhythmisch strukturierte. Die zunehmende Verfeinerung des Pinselduktus führte Girke schließlich in den 1960er-Jahren hin zum Verzicht auf jede Malgeste: Mit der Verwendung der Spritzpistole erreichte er eine gleichmäßig-homogene Verteilung seiner nun fast ausschließlich weißen Farbe. Die Bilder dieser Zeit sind oftmals horizontal gegliedert oder in kaum mehr differenziert wahrnehmbaren Abschattungen und Hell-Dunkel-Übergängen fein gerastert. Sie sind eine Herausforderung an die Wahrnehmung des Publikums.
Zu Beginn der 1970er-Jahre verwarf der Maler die Spritztechnik wieder zugunsten einer ausdrucksstärkeren Gestik. In den Bildern dieser Zeit brechen breite Pinselstriche ihre eigene, weiterhin oft horizontal gestaffelte Ordnung dynamisch auf. Bewegung und Tiefe kommen in das Bildgeschehen, die Fläche wird zum Hell-Dunkel-Phänomen. Seit Mitte der 1980er-Jahre pulsiert Girkes Farbe in einem breiten Lichtspektrum, das nun auch Erdfarben oder tiefenwirksames Blau enthalten kann. Pinselstriche bewegen sich kraftvoll mit- und gegeneinander oder vernetzen sich in einem über das Bildformat hinausweisenden dynamischen Geflecht. Dabei ist das Malverfahren über die Pinselspuren immer deutlich ablesbar, was eine verblüffende Diskrepanz ergibt zu der spirituell-meditativen Wirkung dieser entgrenzten Werke jenseits von Fläche oder Raum.“
Quelle der Einführung in die Ausstellung zum 20. Todestag von Raimund Girke und weitere Informationen zur Ausstellung vom Frühjahr diesen Jahres im Museum Küppersmühle: Raimund Girke – Klang der Stille. Retrospektive