Ion Grigorescu ist einer der wichtigsten und bekanntesten, rumänischen Künstler der Gegenwart. Geboren 1945 in Bukarest, wo er noch heute lebt und arbeitet, ist er eine Ikone der Performance und Konzeptkunst in seiner Heimat.
Die Kindheit Ion Grigorescu’s ist von den aufeinander folgenden Traumata des Zweiten Weltkriegs, dem Holocaust und dem Aufstieg des Kommunismus in Rumänien geprägt. Seine, seit den späten 1960er Jahren produzierten Performances, Filme, Fotografien und Arbeiten auf Papier nehmen diese Traumata und seine angespannte Beziehung zum kommunistischen Regime seines Landes immer wieder auf.
Während der Zeit des Kommunismus in Rumänien lebt und arbeitet Ion Grigorescu relativ isoliert und stellt seine Kunstwerke erst nach der rumänischen Revolution von 1989 öffentlich aus. Angesichts der Einschränkungen durch Zensur in Form und Inhalt seiner Arbeit, beschränkt er sich bis 1989 in seiner Kunst auf die Möglichkeiten seines Ateliers, um eben die Zensur und – oft damit einhergehend – die Verfolgung durch den Staatsapparat zu vermeiden. Infolgedessen sind die Kamera oder seine gelegentlichen künstlerischen Mitarbeiter oft sein einziges Publikum. Trotz dieser begrenzten Reichweite findet Ion Grigorescu innovative Wege, um unter Zwang zu arbeiten.
In seinen Fotoserien aus den 1970er stilisiert Ion Grigorescu Performances zu Standbildern und verwendet sich selbst häufig als Thema. Sein eigener Körper ist sein primäres Material, da er zugänglich ist und frei manipuliert werden kann. In kraftvollen Fotografien, die in den 1970er und frühen 1980er Jahren entstehen, zeigt er seinen Körper, der durch Dehnungen und Verdrehungen an physische Grenzen gebracht ist. Obwohl es sich um Standbilder handelt, zeigt die Dynamik seiner Handlungen sein großes Interesse daran, Bewegungen genau zu beobachten und aufzuzeichnen.
Für den bekannt gewordenen Film Action Boxing (Bilder siehe WikiArt) aus dem Jahre 1977 verwendet Ion Grigorescu die Technik der Überlagerung und überlagert Bilder, um ein doppeltes Selbstporträt zu erstellen. Er erscheint nackt und kämpft gegen sich. Die Loop-Aktion dieses körnigen 8-mm-Schwarzweißfilms spiegelt die Frustration des Künstlers über die strengen Grenzen des Alltags im kommunistischen Rumänien wider. Boxen gegen sich selbst ist ein verlorener Kampf; seine Beharrlichkeit trotz der Sinnlosigkeit seiner Handlungen dient als Ausdruck des privaten Widerstands.
Zusammen mit anderen osteuropäischen Künstlern wie Jiří Kovanda, Július Koller, Mladen Stilinović oder dem verstorbenen Tibor Hajas wird Ion Grigorescu zunehmend für seine Rolle bei der wirksamen Pflege des Widerstands und der unterirdischen, geheimen Kunst im Rahmen des kommunistischen Totalitarismus anerkannt. Als Vorläufer der konzeptuellen und performativen Nutzung des Körpers als künstlerisches Medium in Rumänien seit den frühen 1970er Jahren ist Ion Grigorescu auch einer der wenigen rumänischen Künstler, die zeitgenössische Anliegen in perfekter Synchronität mit der entsprechenden Zeit radikal und konzeptionell illustriert haben. Ion Grigorescu hat einen unschätzbaren Beitrag zur Gestaltung eines kritischen Bewusstseins geleistet, das in der Lage ist, eine wirklich universelle Kritik in rationalistisch-diskursiven, performativen und künstlerischen Begriffen zu artikulieren.