Marsden Hartley malt als Homosexueller in einer homophoben Welt

Marsden Hartley gilt als „erster großer, moderner Maler Amerikas des 20. Jahrhunderts“, ist aber hier bei uns in Europa doch noch ziemlich unbekannt. Und dies, obwohl sein Werk eine Brücke schlägt zwischen der europäischen und der amerikanischen Moderne. Marsden Hartley lebt einen Großteil seines Lebens als ständig Reisender zwischen den Kontinenten. Seine Reisen verarbeitet er von 1906 über fast vierzig Jahre in einer Reihe von zutiefst origineller Werkgruppen. Darunter finden sich beispielsweise eine Werkreihe abstrakter Gemälde, deren Ausgangspunkt militärische Symbole sind oder eine Reihe von trostlosen, fast surreale Landschaften aus New Mexico oder viele feminisierte Figurenbilder muskulös arbeitender Männer.

Hummerfischer, Marsden Hartley, 1940-41
Von The Metropolitan Museum of Art, CC0

Vor dem Ersten Weltkrieg nimmt Marsden Hartley an den berühmten Pariser Salons von Gertrude Stein teil und besucht Wassily Kandinsky und Gabriele Münter in Bayern. Franz Marc lädt ihn ein, seine mysteriösen Bilder 1913 bei der berühmten Ausstellung des Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin zusammen mit den anderen Mitgliedern des Blauen Reiters zu zeigen.

Auch in seiner Heimat mischt sich Marsden Hartley mit der künstlerischen Elite. In New York gehörte er zum Kreis des berühmten Fotografen und zukunftsweisenden Galeristen Alfred Stieglitz, der ihm auf all seinen Reisen finanziell hilft. Trotz seiner zentralen Stellung in der Kunstszene der damaligen Zeit ist Marsden Hartley heute selbst in den USA kaum mehr einem breiten Publikum bekannt. Vielleicht liegt dies an dem facettenreichen Charakters seines Oeuvres, das es schwierig macht, ihn in die Liste der Kunstgeschichte aufzunehmen.

Marsden „Hartley, der nie länger als zehn Monate an einem Ort blieb, der ständig vor seiner Einsamkeit als homosexueller Mann in einer homophoben Welt floh, dabei überall in der Welt kurze Phasen intensiven Beisammenseins mit anderen ähnlich versteckt lebenden Männern erlebte (etwa mit dem Freundeskreis des Schriftstellers Eugene O’Neill), der aber auch exzessive Verkleidungsbälle und intellektuelle Salons erlebte, wo er geschützt er selbst sein konnte, ist in seiner Kunst immer erstaunlich unverbittert erschienen. Seine Bilder zeugen von der Schönheit einer unkomplizierten Welt, die er schlicht, fast wie ein naiver Maler abbildet, sie nur mit Farbe und Dynamik so auflädt, dass sie eine große Emotionalität vermittelt.“

Quelle dieses Auszugs einer empfehlenswerten Einführung in das Leben und Werk des Künstlers in der Süddeutschen Zeitung: Briegleb, T., „Landschaft mit Muskeln“, Süddeutsche Zeitung Online, 17.11.2010, online unter: https://www.sueddeutsche.de/kultur/marsden-hartley, aufgerufen am 28.12.2020

In den kommenden Tagen mehr zum ersten Maler der Moderne in Amerika!

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