Bekanntlichermaßen bin ich kein so ganz großer Freund von Fotografie und sehe mir eher selten Ausstellungen mit Fotografien an. Heute aber will ich auf eine Ausstellung hinweisen, die mich beeindruckt hat, bzw. vielleicht sollte ich besser ’nachdenklich gemacht hat‘ schreiben: Die Ausstellung Exodus des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado.
‚Exodus‘ wäre derzeit in Pistoia in der Toskana zu sehen. Die Ausstellung des Brasilianers, der 2019 übrigens den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten hat, war zuvor bereits in einigen Städten zu sehen, so auch in Bremen. Zur damaligen Ausstellung ist ein Artikel zur Einführung in der TAZ erschienen, aus dem ich hier einige Sätze zitiere:

Ausstellung bis zum 14.06. im Palazzo Buontalenti, Pistoia, Toskana
„Menschen jesidischen Glaubens fliehen vor islamistischen Schlächtern in die Berge. Beinahe täglich erreichen schlecht ausgerüstete Flüchtlingsboote die europäische Küste. Auf dem Berliner Oranienplatz campierten über ein Jahr afrikanische Flüchtlinge aus Protest gegen Schikanen und Abschiebung. Flucht ist allgegenwärtig. … In den 90er-Jahren hat Salgado nahezu die ganze Welt bereist und Flüchtlingslager unter anderem in Ruanda, dem Libanon, im Südsudan und Kosovo besucht.
Berühmt geworden ist Salgado durch seine Langzeitreportagen aus afrikanischen und asiatischen Ländern. Er interessiert sich für die deklassierten Gruppen der Gesellschaft, gilt als kritischer und engagierter Fotograf. …
In den Bildern gibt es keine Kontexte, keine Fluchtursachen oder Umstände. Überhaupt finden sich kaum Spezifika, die auf irgendeinen konkreten Fluchtzusammenhang hinweisen könnten. Zwischen hunderten Schwarz-Weiß-Bildern kann man nur raten, in welcher schrecklichen Ecke dieser Welt man sich befindet. Natürlich gibt es Schilder, die einem sagen, wo man ist. Aber sollten Bilder nicht ein wenig eigenständiger lesbar sein?
So wie es keine Täter gibt, gibt es auch keine Opfer. In ihrem Aufbau gleichen die Bilder Stillleben, wie man sie aus den Gemäldegalerien kennt. Statt Äpfeln, Birnen, Traubenreben stehen Menschen zwischen kaputten Häusern, Zelten, Lastkraftwagen. Ganz natürlich. Als hätte sie da jemand hingepflanzt, als gehörten sie dahin. Kein Moment des Schocks, weder zwischen Fotograf und Objekt, noch zwischen Betrachter und Bild.
Da ist etwa eine Aufnahme aus dem Jahr 1998 aus Tijuana in Mexiko. Man sieht eine hügelige Landschaft. Massive Grenzzäune ziehen sich horizontal und vertikal durchs Bild. Sie sollen die unkontrollierte Einreise in die USA unterbinden. Zwei Männer sind auf dem Bild zu sehen. Der eine liegend, der andere stehend, parallel zum Zaunverlauf positioniert, als schmiegten sie sich an.
Ein anderes Bild zeigt ein Dutzend nackter Waisenkinder im Vorschulalter 1995 in Zaire. Eine alte Frau mit Kopftuch steht zwischen ihnen. Auch hier geschieht nichts. Ein harmonisches Tableau. Genauso wie die kosovarische Familie aus der Enklave Žepa: Erwachsene und Kinder liegen schlafend nebeneinander auf dem Boden, umrahmt von Kleidern, Schuhen, Taschen und Kanistern, bilden eine Landschaft, über die man den Blick streifen lassen kann.“
Quelle: Radek Krolczyk, ‚Flucht ohne Ursachen‘, 16.06.2014, TAZ Archiv-online unter: https://taz.de/!309564/, aufgerufen am 25.02.2020
Alle Informationen zur Ausstellung in Pistoia: Sebastião Salgado – Exodus
Einige der Bilder der Ausstellung wurden 2016 im STERN veröffentlicht. Hier der Link zur Bildreihe: Sebastião Selgado
Einige Fotos einer weiteren Ausstellung des Fotografen mit dem Titel ‚Genesis“ werden in der FAZ gezeigt: Sebastião Salgado
Salgado … ein ganz großer!
Herzliche Morgengrüße vom Lu
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Dank Dir! Beste Mittagsgrüße zurück 😉
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🎵🎶🎵🎶🎵🐦
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Von der Schönheit des Elends – davon sprach er auch im letzten Jahr auf der Buchmesse – dieser Zwiespalt in seinen Bildern und doch empfinden wir es gerade deswegen intensiver, weil uns die Bilder zum Hingucken zwingen.
Morgengruß aus leider nur virtuellem Kunstgenuß zu Dir, Karin
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