In der für ihn typischen Kleinschreibung positioniert sich Max Bill 1944 zur Konkreten Kunst. In einem einleitenden Text zur wegweisenden Ausstellung „Konkrete Kunst“ in Basel beschreibt er sein Verständnis der Konkreten Kunst unter der Überschrift „ein standpunkt“.

Dieser einleitende Standpunkt ist einer der wesentlichen Texte zur Theorie der Konkreten Kunst und wird danach immer wieder in der Auseinandersetzung mit Konkreter Kunst aufgegriffen. Hier der Text in seiner ungekürzten Fassung von 1944:
„konkrete kunst nennen wir diejenigen kunstwerke, die auf grund ihrer ureigenen mittel und gesetzmäßigkeiten, ohne äußerliche anlehnung an die naturerscheinung, also nicht durch «abstraktion» entstanden sind.
konkrete kunst ist die gestaltung von optisch wahrnehmbaren, zu dessen realisierung die farbe, der rau , das licht und die bewegung die voraussetzungen enthalten. durch die beziehungen dieser elemente und durch ihre formung auf grund einer rein geistigen, schöpferischen konzeption, entstehen faßbare werke. vorher nur in der Vorstellung bestehende «bilder» werden realisiert und in konkreter form vermittelt.
die konkrete kunst ist etwas in ihrer eigenart selbständiges, sie hat eine gleichwertige existenz neben der naturerscheinung. sie soll der ausdruck des menschlichen geistes sein, für den menschlichen geist bestimmt, und sie sei von jener schärfe und eindeutigkeit, von jener Vollkommenheit, wie dies von werken des menschlichen geistes erwartet werden kann.
eine der verschiedenartigen ausdrucksformen der konkreten kunst ist eine konstruktive kunst, und ihr eigentliches merkmal ist es, daß sie exaktes zu vermitteln sucht, daß sie sich nicht damit zufrieden gibt eine auswahl zu treffen unter den vielen individuellen ausdrucksmöglichkeiten, sondern, daß sie an stelle der überschäumenden naturerscheinung, oder an stelle von vorwiegend persönlich-psychischen Vorgängen, das harmonische gesetz stellt. in diesem sinne stellt sich die konkrete kunst aktiv zum zeitgeschehen, sie strebt nach gesetz, vorbild, ordnung und harmonie. sie strebt zu absoluter klarheit, zur gesetzmäßigkeit und damit zur realität selbst. aber es ist dies ihrer innersten natur gemäß, eine realität die sich weniger des materiellen, denn des geistigen annimmt, aus der erkenntnis heraus, daß der menschliche geist der ruhe bedürfe, der ordnung und richtung innerhalb bestimmter regeln. so ist die konkrete kunst in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem maß und gesetz. sie setzt Systeme, ordnet diese und gibt mit künstlerischen mitteln diesen Ordnungen das leben . sie ist real und geistig, unnaturalistisch und dennoch naturnah . sie strebt nach dem universellen, und pflegt dennoch das einmalige, sie drängt das individualistische zurück, zu gunsten des individuums.“
Quelle: Max Bill, „Ein Standpunkt“, in: konkrete kunst, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Basel, 1944, S. 9f.
Hier noch ein Link zum damaligen Katalog mit dem Text von Max Bill: Konkrete Kunst – Basel 1944
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