Maria Helena Vieira da Silva ist eine Künstlerin, die als Vertreterin des abstrakten Expressionismus und vor allem der Informellen Kunst, nicht unbedingt in eine Vorstellung von ‚konkreten‘, portugiesischen Künstlerinnen und Künstler passt. Die Informelle Kunst zeichnet sich gerade dadurch aus, dass klassische Form- und Kompositionsprinzipien ebenso ablehnt werden, wie die geometrische Abstraktion als Ausdruck. Als ein führendes Mitglied der europäischen Bewegung des abstrakten Expressionismus beeinflusst Maria Helena Vieira da Silva Generationen von portugiesischen Künstlern und soll hier, zum Abschluss meiner Reihe portugiesischer Künstlerinnen und Künstler vorgestellt werden.
Maria Helena Vieira da Silva wird 1908 in Lissabon geboren. Ihr Vater, ein wohlhabender Diplomat, nimmt sie früh mit auf Reisen, bei denen sie in Kontakt mit verschiedenen Avantgarde-Gruppen, wie den italienischen Futuristen, kommt. Bereits mit elf Jahren beginnt sie Zeichnung und Malerei an der Kunstakademie in Lissabon zu studieren. Mit zwanzig Jahren verlässt Maria Helena Vieira da Silva Lissabon, um in Paris Bildhauerei zu studieren, entscheidet sich aber bereits im folgenden Jahr 1929, sich auf die Malerei zu konzentrieren. 1930 stellt sie erstmals ihre Gemälde in Paris aus und im selben Jahr heiratet sie den ungarischen Maler Árpád Szenes. Während des Zweiten Weltkriegs lebt sie in Rio de Janeiro, wo sie endgültig als informelle Künstlerin mit ihre dichten und komplexen Kompositionen bekannt wird.
„Schon früh sind Selbstzweifel, Melancholie und Todesangst wichtige Themen im Werk Maria Helena Vieira da Silvas, mit denen sie sich bis zu ihrem Tod auseinandersetzt. Das Frühwerk ist geprägt von surrealistischen, gegenständlichen Bildern mit mythologischen Bezügen. In Paris beginnt die Künstlerin mit einer Serie von räumlichen Darstellungen. Ausweglos scheinende Raumfluchten, deren Wände und Decken mit einem teilweise verzerrten Schachbrettmuster bedeckt sind, verschachteln und verschränken sich auf irreale Weise. Bekannt ist vor allem die Darstellung einer großen Bibliothek. Mit der Zeit verlieren diese Bilder mehr und mehr ihre Perspektive und werden schließlich zu den flach angelegten, deshalb aber nicht weniger tiefen, Labyrinth-Bildern, für die da Maria Helena Vieira da Silva heute weithin bekannt ist. Der Betrachter blickt auf ein scheinbar ungeordnetes Geflecht von Linien und Feldern, wandert mit den Augen über die Grate, glaubt hier und da Räume zu erkennen und landet schließlich in einem hervorstechenden Bereich hellen Lichts, das wie ein Durchbruch in eine andere Ebene erscheint. Die oft schwermütige Künstlerin sieht den Tod als einen erlösenden Moment am Ende eines Lebens voller Irrungen und Wirrungen an, sehnt ihn gar herbei und räumt ihm eine exponierte Stellung in ihrem Werk ein. Je älter sie selbst wird und je näher sie ihren eigenen Tod rücken sieht, desto lichter werden die Labyrinth-Bilder. Das Linien-Geflecht wird dünner, bricht gleichsam auf und gibt den Blick auf das dahinterliegende Licht frei.
1992, in den letzten Stunden vor ihrem Tod, malt Maria Helena Vieira da Silva eine Reihe von vier Bildern. Darin illustriert sie ihre Begegnung mit dem Tod, dargestellt als eine vermummte Gestalt mit langem Gewand, die aber in der für sie typischen, irisierenden Malweise nur angedeutet ist und mit dem Hintergrund verfließt. Ein Blick zurück zeigt noch einmal die Perspektiven und Raumfluchten des zurückliegenden Lebens. Im letzten Bild steht der Betrachter direkt an der Schwelle. Lediglich ein Streifen am Rand des Bildes, wie ein Türrahmen, zeigt, dass der letzte Schritt noch nicht gemacht ist.“
Maria Helena Vieira da Silva wird von vielen als Portugals bedeutendste, moderne Künstlerin angesehen. 1988 zu Ehren ihres 80. Geburtstags zeigen das Gulbenkian-Museum in Lissabon und das Grand Palais in Paris große Retrospektiven ihrer Arbeit. Ein Vielzahl von Bildern der Künstlerin finden sich auf den Webseiten des Gulbenkian-Museums: Maria Helena Vieira da Silva. Eine Zusammenstellung ihrer Werke in einem Video findet sich hier: Maria Helena Vieira da Silva und hier noch der Link zu den Webinhalten des Fundação Arpad Szenes – Vieira da Silva, mit jede Menge Informationen zum Ehepaar – leider nur in portugiesischer Sprache.
Quelle des obigen Zitates ist der deutsche WikiPedia-Eintrag zu Maria Helena Vieira da Silva.