Jo Enzweiler: Kunstvermittler, Hochschullehrer, Gründungsrektor und Konkreter Künstler

In meiner kleinen Reihe von deutschen konkreten Künstler habe ich mir heute Jo Enzweiler ausgesucht, einen Altmeister der Konstruktiven und Konkreten Kunst in Deutschland.

Jo Enzweiler studiert zunächst Jura, anschließend Kunst in München, Toulon, Aix-en-Provence und Saarbrücken.

Von 1959−1972 ist er als Kunsterzieher in Saarbrücken tätig. Danach lehrt er Gestaltung an der Pädagogischen Hochschule des Saarlandes und gründet Ende der sechziger Jahre mit anderen Künstlern gemeinsam die Galerie St. Johann in Saarbrücken. Ende der siebziger Jahre erhält er eine Professur für Künstlerische Druckgrafik in Saarbrücken. Weitere zehn Jahre später wird Jo Enzweiler zum Gründungsrektor der Hochschule für Bildende Künste Saar und lehrt dort Malerei.

„Kunstvermittler, Organisator, Hochschullehrer, Gründungsrektor der Hochschule der Bildenden Künste Saar – die Persönlichkeit Jo Enzweiler zeigt viele Facetten – und doch ist er in erster Linie Künstler – Konkreter Künstler.

Dennoch stellen sich in fast allen Werkgruppen dieses Vertreters der vielleicht gegenstandsfernsten Richtung der bildenden Kunst in Collagen aus mehrschichtigen, gerissenen Kartonplatten, Zeichnungen, Stempelgouachen und Prägedrucken Gegenstandsassoziationen, genauer Landschaftsassoziationen ein.

Bildergebnis für jo enzweiler spanische farbenlehre

Jo Enzweiler „Kleine Spanische Farbenlehre“, 2008, Teil V, Blatt 3, Quelle: Pinterest

In Notizen und Betitelungen früher Blätter tut der Künstler dies selbst: Zeichnungen und Skizzen verquicken sich mit Reisenotizen. Diese Auf-Zeichnungen, wie Enzweiler seine Zeichnungen nennt, sind Protokolle von Momentaufnahmen, schnelle Kürzel von Stimmungen eines Gesehenen (Landschaft), von Atmosphäre und Ausstrahlung eines Ortes, zu graphischen Stenogrammen verdichtet, aufgenommen mit Stift oder Feder, später mit Pinsel und Farbe verfestigt, pendelnd zwischen fein gewebter Schraffur und hingepeitschtem Linienduktus.

Es sind Diagramme eines visuellen Barometers eines Künstlers, der ständig misst und registriert, welcher (Un-)tätigkeit er auch nachgehen mag. Diese Auf-Zeichnungen werden in rechteckige Rahmen diszipliniert, durch Übermalung, Kopie uns Vergrößerung festgeschrieben, der Ratio des konkreten Künstlers unterworfen.

In der Werkgruppe der Karton-Collagen verbindet sich die mathematische Rationalität der Konkreten Kunst mit Strukturen, die sich vielfältigen Assoziationsmöglichkeiten öffnen. Flächen mehrschichtigen, z. T. farbigen Pappkartons werden einem Raster aufgezeichneter Rechtecke oder Quadrate unterworfen: Reihen gleichartiger Elemente bilden sich. Gesetzmäßiger Aufbau wird vorgegeben. Innerhalb dieser vorgegebenen Felder reißt Enzweiler Teile einer oder mehrerer Pappschichten ab. Der scheinbar gleichmäßige Abriss variiert von Feld zu Feld. Innerhalb der seriellen Reihung finden deutlich sukzessive Formveränderungen statt. Schrittweise Veränderung heißt auch Bewegung – und nimmt man die Assoziation hinzu. Die sich in den Rissstrukturen ja deutlich aufdrängt: Landschaftsformationen, im geographischen wie geologischen Sinn – so wird die Bewegung zur Erfahrung von Veränderung des Standpunktes wie auch der Befindlichkeit des Gesehenen, erkennbar als visuelles Zeichen.“

Quelle: Michael Jähne, „Enzweiler, Jo“, aus: Paul Bertemes, Jean Colling (Hg.): Visites d’Atelier besuche. Band 1. Luxembourg 2006, online unter: http://institut-aktuelle-kunst.de/kuenstlerlexikon/enzweiler-jo, aufgerufen am 25.01.2019

Der Text oben und eine sehr ausführliche Biografie des Künstlers findet sich auf den Webseiten des von Jo Enzweiler gegründeten Institutes für aktuelle Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar: Jo Enzweiler

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s