„Abstrakte Ideen werden in konkreter Form sichtbar gemacht“ ist eine der wichtigsten Thesen im Manifest bzw. den Manifesten von Max Bill. Sein Verständnis von Idee und Ideen ist zentral für das Verständnis seines Werkes und seiner ‚Konkreten Kunst‘. Und sein Verständnis bringt uns zurück in die griechische Philosophie – zu Platon:
„Wer sich mit den Kunstwerken Bills genauer befasst, stellt fest, dass es sich nur um Ideen im platonischen Sinne handeln kann, also nicht um Ideen, die im modernen Sprachgebrauch etwas Subjektives, einen Einfall, eine Erfindung bezeichnen, vielmehr um ursprüngliche, elementare, allgemein gültige und damit objektive Prinzipien und Denkmodelle. Es sind mathematische und logische Prinzipien und ihre Abwandlungen, Varianten und Kombinationen, die sich in Bills Malerei und Plastik manifestieren. Das können Reihungen sein, Spiegelungen, Schachbrettmuster, Progressionen, Rotationen, Mutationen, Translokationen und -kolorationen, Prinzipien wie Farbmengengleichheit oder die Fibonacci-Zahlenreihe.

So gesehen entsprechen die Ideen nach Bills Verständnis den Gesetzmäßigkeiten, von denen er immer wieder und bereits in seinem Manifest spricht. Subjektiv ist allein die Auswahl der Ideen durch den Künstler.
Seinen Gestaltungsprozess beschrieb Bill als ‚logische Methode‘, die ‚Schritt für Schritt logischen Operationen und deren logischer Überprüfung‘ folge. Ziel war es, die einzelnen Bildelemente so klar und eindeutig zu organisieren, dass die Bildidee unmittelbar in Erscheinung tritt, sich dem Betrachter ohne Umschweife mitteilt. … Bill genügte es jedoch nicht, logisch nachvollziehbare Werke zu entwickeln, die jedes für sich als Fallbeispiel gelten können. Er gab ihnen Titel, die die jeweiligen Bildideen benennen und sich teilweise wie Gebrauchsanweisungen lesen: ‚feld aus 32 teilen in 4 farben‘ (1965) etwa, oder ‚rotation von gleichen farbmengen um weisse zentren‘ (1969). Und er ging sogar so weit, „Anleitungen zum Betrachten eines Bildes“ zu veröffentlichen? Was aus heutiger Sicht völlig unnötig erscheint, dürfte sich mit Bills didaktischem Impetus und dem Wahrheitsanspruch der Moderne erklären lassen.
Bereits 1938 kam der 16-teilige Grafikzyklus ‚fünfzehn variationen zu einem thema’ zusammen mit einem erklärenden Begleittext heraus, in dem Bill die Gestaltungsprinzipien jeder einzelnen Variante seiner Bildidee einer Spirale ausführte. Der Zyklus, so Bill, sei der Beweis dafür, dass ‚die konkrete kunst unendlich viele möglichkeiten in sich birgt‘“
Quelle: Markus Zehentbauer: „Der Konkreteste Konkrete? Max Bill“, in: Die Idee Konkret, hrsg. von Tobias Hoffmann, Museum für konkrete Kunst Ingolstadt, Wienand Verlag, Köln, S. 49f.