Theo van Doesburg beschreibt in seinem theoretischen Werk zu den Grundbegriffen der neuen, gestaltenden Kunst, sein Verständnis der bildenden Kunst. Er stellt sieben Thesen auf, die für ihn eben dieses Wesen der bildenden Kunst beschreiben. Die Thesen leitet er übrigens von philosophischen Überlegungen ab und nimmt in der Erläuterung immer wieder auf Philosophen, wie Kant, Rousseau oder Descartes Rückgriff.

Theo van Doesburg – Grundrisse der neuen gestaltenden Kunst, 1925
I. Alles was uns umgibt, ist Ausdruck des Lebens, Alles was lebt, hat bewusste oder unbewusste Erfahrung seiner Umwelt.
II. Bewusst oder unbewusst macht sich jedes Geschöpf seine Lebenserfahrung zunutze.
III. Wir können innerhalb der Realitätserfahrung von den einfachsten Organismen bis hinauf zu den entwickeltsten Individuen drei Arten von Erfahrung unterscheiden:
a) die sinnliche (Sehen, Riechen, Hören, Schmecken, Fühlen)
b) die psychische und
c) die geistige
IV. Einspürung und Lebenserfahrung bestimmen einander wechselseitig.
V. Ist die Lebenserfahrung geistig, d.h. beschränkt sich die Umwelterfahrung nicht ausschließlich auf das Sinnliche oder das Psychische, so wird die Rückwirkung der Lebenserfahrung entsprechen.
VI. In dieser gestalteten Reaktion unserer aktiven Realitätserfahrung liegt das Wesen und die Ursache aller Kunst.
VII. Das Kunstwerk ist die Ausdrucks- oder Gestaltungsform dieser geistigen aktiven Realitätserfahrung.
Die geistige aktive Realitätserfahrung ist ästhetisch.
Die geistige passive Realitätserfahrung ist ethisch.“
Quelle: Theo van Doesburg, „Grundbegriffe der neuen gestaltenden Kunst“, Nachdruck des Bandes 6 der alten Reihe der ‚Bauhausbücher‘, herausgegeben 1925, F.S.9 Kupferberg Verlag, Mainz, 1966, S. 10 – 13