Der 1862 geborene Franzose August Herbin ist nicht nur einer der Gründer der Künstlergruppe „Abstraction-Création“, er ist auch einer der vielfältigsten Maler des letzten Jahrhunderts. Postimpressionismus, Fauvismus, Kubismus, … Konkrete Kunst, …
„Auguste Herbin war Schüler eines Professors der Kunstakademie in Lille, der zwar den aparten Namen Pharaon de Winter trug, aber den Impressionismus verdammte und so den jungen Mann nicht an sich binden konnte. Die ältesten Exponate, erste, 1901/02 entstandene Gemälde, sind bald anrührend amateurhaft, bald achtbare Versuche, sich in Postimpressionismus zu üben. Herbin hat sich mittlerweile in Paris niedergelassen und wendet sich dem Fauvismus zu. 1906/07 ist er so nicht nur meilenweit vorangekommen, sondern bereits sehr eigenständig. … Seiner Zeit voraus!
Herbin könnte sich jetzt eigentlich zurücklehnen. Ihn zeichnet aus, dass er weitersucht. Er zieht vom Montparnasse ins Bateau lavoir am Montmartre, hält aber trotz der enormen Sogwirkung von Picasso und den Seinen den Primat der Farbe hoch. Sein Kubismus ist ein sensueller, weil farbiger wie kaum ein zweiter. Obwohl er früh in Hamburg malt und in Berlin ausstellt, darunter bei Herwarth Walden, und sogar in Céret, dem Kubistentreff in den Pyrenäen, … bleibt es Herbin verwehrt, rechtzeitig in den Olymp der klassischen Moderne aufzusteigen. Seine Bescheidenheit habe Anteil daran gehabt, heisst es rückblickend. In jedem Fall sind die Spätfolgen bis heute spürbar.
Doch gegen eine alte Kanonbildung ist schwer anzugehen. Erfolg ist oft eine Frage von Glück und Zufall, der richtigen Kontakte und des richtigen Moments. Herbin, so viel ist sicher, kommt selten zu spät, sondern allenfalls zu früh, um dann, wenn der richtige Moment gekommen scheint, schon wieder weiter zu sein. Man sehe sich seine frühen Abstraktionen an, die Elemente des Art déco vorwegnehmen, oder seine Rückkehr zur Figuration, die weniger mit Retour à l’ordre und Ingrismus als vielmehr mit späterer Neuer Sachlichkeit zu tun hat. Doch kaum verbreitet sich diese, ist er schon wieder in einer neuen Phase der Abstraktion angelangt. Bereits um 1925, … gibt er jede Gegenständlichkeit auf. Es entstehen fortan, bis zu seinem Tod, mit leuchtenden, reinen Farben gemalte Spiralen, «compositions» und «synchromies», die immer mehr, in ständiger Evolution, auf geometrische Grundformen reduziert sind: Kreise, Dreiecke, Rechtecke, auch mondsichelartige Formen in immer wieder neuer, methodisch erarbeiteter Variation.
1931 gründet Herbin mit Vantongerloo, van Doesburg, Hélion, Arp und Kupka die Bewegung «Abstraction-Création», die 1932–1936 eine gleichnamige Zeitschrift herausgibt.“
Quelle: Peter Kropmanns, „Ein Leben für die Farbe“ vom 23.01.2013 unter: Neue Zürcher Zeitung Online, aufgerufen am 08.01.2018: https://www.nzz.ch/feuilleton/kunst_architektur/ein-leben-fuer-die-farbe-1.17955060
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