Ich habe im Januar einiges über Donald Judd gelesen und auch hier ein paar Texte über ihn und Minimal-Art veröffentlicht. Jetzt bin ich auf einen fast 50 Jahre alten Text aus dem Spiegel gestoßen, der sich zu lesen wirklich lohnt. Also nochmal Donald Judd und die Minimal Art:
„‚Die europäische Kunst‘, sagt der New Yorker Bildhauer Donald Judd, 40, ‚lässt mich vollkommen gleichgültig. Ich glaube, damit ist es aus.‘
Diesen Glauben teilen heute viele US-Künstler. Sie halten das Erbe aus der Alten Welt für antiquiert. nämlich für sentimental, literarisch und verworren, und setzen ihm einen eigenen Stilentwurf entgegen: nüchtern, sinnfrei und äußerst einfach.
Einfacher geht’s kaum: Judd ordnet beispielsweise bloße Rechteckrahmen zu Skulptur-Ensembles. und auch seine Kollegen bieten vorwiegend stereometrische „Primärstrukturen“ — unter diesem Titel wurde die neue Plastik-Richtung 1966 auf der New Yorker Kunstszene etabliert.
Als „Minimal Art“ — so derzeit die geläufigste Bezeichnung — sind die amerikanischen Kunst-Klötze auch nach Deutschland importiert worden. … Denn minimal ist bei der Minimal-Kunst allein die plastische Differenzierung; das Format der Werke ist dagegen meist großzügig bemessen, und die — teils mehr als drei Meter hohen — Skulpturen des früheren Architekten Tony Smith sind überhaupt für einen Platz im Freien konzipiert.
Übermannshoch sind auch die innen aufgestellten Arbeiten von Ronald Bladen, die aber im Gegensatz zu Smiths rechtwinkligen Monumenten recht wacklig aussehen — doppelt bedrohlich durch ihre Größe. Der Künstler nämlich scheint seine Quader auf der Kante zu balancieren oder läßt sie, schräg angeschnitten, weit nach einer Seite überhängen. Die innere Gewichtsverteilung bürgt trotzdem für Standfestigkeit.
Schwebe-Objekte gar hat Robert Grosvenur entworfen, der in Paris einst Schiffbau studierte. Seine sperrigen Stücke. darunter eine zwölf Meter breite T-Form, hängen an möglichst verhüllter Konstruktion von der Decke und wirken wie Flugkörper von einem anderen Stern.
Doch solche Deutungen sind den Minimal-Bildhauern durchaus unerwünscht. Ihre einfarbig weißen, schwarzen oder metallisch glänzenden Objekte sollen keinerlei geheimnisvolle Vorstellungen wecken, aber auch keine Maß-Harmonie widerspiegeln wie einst die Konstruktionen des Bauhauses. Vielmehr soll der Betrachter einzig die große, kaum gegliederte Form der Plastik bei einem Rundgang von allen Seiten erfassen und ihre Stellung im Raum ausmachen. …“
Quelle: „Minimal Art – Klotz auf der Kante“, 1969, unter SPIEGEL Online, abgerufen am 26.02.2018, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45845386.html
Der Text würdigt eine Ausstellung „Minimal-Art“ in der Düsseldorfer Kunsthalle zum Jahreswechsel 1968/1969. Einen weiteren Text zur Ausstellung findet sich auch bei Zeit Online: http://www.zeit.de/1969/04/so-neu-und-schon-so-museal/komplettansicht
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