Lydia Clark in Berlin

Die Neue Nationalgalerie in Berlin zeigt die erste Retrospektive der brasilianischen Konkreten Künstlerin Lygia Clark in Deutschland. Die Ausstellung, die bis zum 12. Oktober diesen Jahres zu sehen ist, präsentiert ihr gesamtes künstlerisches Schaffen von den späten vierziger- bis achtziger-Jahren, von geometrisch-abstrakten Gemälden über partizipativ angelegte Skulpturen bis hin zu performativen Arbeiten

Lygia Clark, Composição, 1953, © Foto: Greg Stanger / Colección Patricia Phelps de Cisneros

Lygia Clark gilt als radikale Erneuerin des Kunstbegriffs, denn sie definiert die Beziehung zwischen Künstler und Betrachter sowie von Werk und Raum grundlegend neu. Als eine Hauptvertreterin der 1959 in Rio de Janeiro initiierten Bewegung des Neoconcretismo (Neokonkretismus) versteht Lygia Clark das Kunstwerk als organisches Phänomen. Sie fordert eine subjektive, körperbezogene und sinnliche Kunsterfahrung und macht die aktive Beteiligung der Betrachtenden zum elementaren Bestandteil ihrer Kunst.

Lygia Clarks Ansatz, Kunst als partizipatives, sinnliches, mitunter heilendes Erlebnis zu begreifen, macht sie zu einer der international wegweisendsten Künstlerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihr Schaffen zeigt die engen Verbindungen zur europäischen Moderne und insbesondere zur konkreten Kunst auf, ebenso wie ihre Emanzipation von dieser. Lygia Clark hat nachfolgende Generationen nachhaltig beeinflusst und stellt auch heute noch eine zentrale Bezugsquelle für Gegenwartskünstlerinnen und -künstler dar. Die außergewöhnliche Bedeutung ihrer Werke liegt darin, dass sie das Primat des Visuellen um weitere Sinneswahrnehmungen, wie Hören, Fühlen, Riechen und Tasten erweitert. So werden die passiven Betrachtenden zu aktiv Teilnehmenden einer subjektiven Kunsterfahrung.

Zu Beginn ihrer Karriere schafft Lygia Clark Malereien im geometrisch, abstrakten Stil. Ab 1954 begann sie jedoch, die Leinwand aufzubrechen. Es entstanden reliefartige Bildtafeln, die eine Verbindung zum Raum eingehen. Mit der Gründung der neokonkreten Bewegung vollzieht sie den Schritt in den dreidimensionalen Raum. Die Vertreter des Neoconcretismo verstehen das Kunstwerk als organisches, lebendiges Phänomen. Diese Prinzipien kommen in Lygia Clarks Bichos (Tiere) zum Ausdruck. Es sind geometrische, bewegliche Skulpturen, die von den Betrachtenden in immer neue Positionen gefaltet werden können. In der Folge entstehen ihre Objetos Sensoriais (Sensorische Objekte), darunter Brillen, Masken oder Anzüge, welche die sinnliche Erfahrung auf den ganzen Körper erweitern. Ende der sechziger Jahre erarbeitet sie ihr Konzept des Corpo Coletivo (Kollektivkörpers), das gemeinschaftsstiftende, performative Aktionen beschreibt. Zum Ende ihrer Karriere entwickelte Lygia Clark schließlich noch einen körperbezogenen Therapieansatz, bei dem ihre Kunstobjekte zur Anwendung kommen.

Spannende Künstlerin, über die ich bereist mehrfach geschrieben habe, so hier: Lygia Pape – Frontfrau des brasilianischen Neokonkretismus

Quelle dieser Einführung und alle Informationen zur Ausstellung in Berlin: Lygia Clark. Retrospektive

Viel Spaß in Berlin!

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