John Baldessari und das Cremation Projekt

Vorgestern habe ich John Baldessari, einen der wichtigsten Konzeptkünstler hier vorgestellt. Im Gegensatz zu John Kosuth, der bereits mit Mitte 20 ein gefeierter, international bekannter Künstler ist, startet John Baldessari später und spektakulärer: Er wird Anfang der siebziger Jahre zunächst nicht bekannt für seinen Malerei, sondern durch sein ‚Cremation Project‘, in dem er sein Gesamtwerk der Jahre 1953 bis 1966 verbrennt. „Aus dem einen Rest Asche, der von der Verbrennung übrig blieb, buk er Plätzchen, den anderen verteilte er auf zehn Urnen. Damit kam Baldessari endlich ins Museum, als einer, der in der Destruktion schöpferisch wurde – und war mit einem Mal Konzeptkünstler.

The Cremation Project, 1970 - John Baldessari
John Baldessari, The Cremation Project, 1971
Quelle: WikiArt, (c) FairUse

Allerdings kalifornischer Prägung. Baldessari war nicht so emotionskalt und spröde wie die New Yorker Kollegen. Er hatte Witz, der seine Arbeiten immer etwas leichter machte als die betont intelligible „Conceptual Art“ von der Ostküste, welche die Kunstkritiker der Siebzigerjahre so sehr schätzten. Von der pazifischen Frontier aus traute er sich sogar, den gestrengen Minimalisten Sol LeWitt performativ zu verhöhnen. Baldessari verstand seine Arbeit als humorvolles Spiel mit den Bildern. Und meist gelang es ihm dabei, nicht ins nur komische Fach abzudriften.“

Quelle: Woeller, M., „Ein Lehrer, der niemals langweilte.“, Welt-online, veröffentlicht am 06.01.2020, online unter: welt.de, aufgerufen am 08.11.2021

Durch das Ritual der Feuerbestattung im Cremation Projekt stellt John Baldessari eine Verbindung zwischen künstlerischer Praxis und dem menschlichen Lebenszyklus her und macht die Dekonstruktion zum Teil der Konzeptkunst. So wird der Akt der Verbrennung generativ wie bei der Arbeit des autodestruktiven Konzeptkünstlers Jean Tinguely, den ich in dieser Reihe ebenfalls noch verstellen werde. Für John Baldessari ist das Cremation Projekt der Beginn einer kontinuierlichen – durchaus humorvollen – Auseinandersetzung mit Kunst. Kurz nach dem „Cremation Project“ schafft er 1971 die Lithografie „I Will Not Make Any More Boring Art“, die den Satz wie eine Schulstrafe immer wieder wiederholt. 1972 versucht John Baldessari mit ähnlich skurriler Ernsthaftigkeit wie Joseph Beuys 1965 „dem toten Hasen die Bilder erklärt“ hatte, einer Topfpflanze das Alphabet beizubringen, indem er vor ihr Buchstabenkarten hochhält und die entsprechenden Laute intoniert. Beide Performances hatten bildenden Charakter, wobei weniger die tote oder eingetopfte Kreatur davon profitierte als das Publikum. Mit Witz und etwas Subversion kämpft John Baldessari zeitlebens gegen Vorurteile an, was Kunst sein und nicht sein sollte und wird auch damit zu einem der Hauptvertreter der Konzeptkunst.

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