Anton Stankowski und die Voraussetzungen für gute Kompositionen

„Die Voraussetzung, gute Kompositionen zu schaffen, ist, Grundlagen zu suchen, die das Auge fesseln, die Empfindungen vermitteln, harmonisch sind oder zum Weiterdenken anregen. Es geht nicht um Linien, Flächen, Farbe oder Abbild, sondern um die Grundlagen, das Elementare in der Komposition. Einige Kriterien oder Grundsätze sind im Bild herausgestellt, was nicht bedeutet, dass ein Grundsatz immer lupenrein vorgetragen werden muss. Die Grenzen von einem Kompositionsprinzip zum anderen gehen ineinander.

Anton Stankowski, verantwortlich für das visuelle Erscheinungsbild der olympischen Spiele 1972 in München

Die geometrische Kombination mit Maß und Zahl beeindruckt den Verstand. Mit Farbe und Form ist eine spezifische Gemütsbewegung verbunden, eine Sprache der Sinne. Jede Form hat ihren spezifischen Ausdruck. 

Die Maßgesetze sind nicht nur der Ansatz für die Komposition, sie können das Schöpferische wecken und Hauptbestandteil der bildnerischen Arbeit sein…

Visuelle Spannung ist Erregung im Bild. In der konkreten Kunst ist das Spiel zwischen agierenden und reagierenden Formen weitgehend geplant oder berechnet. Spannung kann durch die gegensätzlichen Formelemente, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander gesetzt sind, entstehen. Kontrast, Lage, Größe, Farbe, Volumen, der Bezug aller Teile zueinander erzeugen Spannungen, wobei der Bildgrund einbezogen wird.

Die Fläche ist gefühlsbetont, phantasievoll, aktiv. Das Maß drückt Gesetze aus, die nicht erst mühevoll erlernt werden müssen. Die moderne Kunst hat uns gelehrt, die Fläche neu zu sehen und als eigenständiges Formelement zu nutzen. Oft entstehen erst durch Hinzufügen eines anderen oder mehre- rer Elemente Spannung und Ausdruck. Geringe Abweichungen und Variationen in Farbe oder Form können der Hauptsache Gestalt geben.

Oftmals ergänzt das Vorstellungsvermögen des Betrachters fehlende Elemente in einer Komposition. Es können dadurch Verbindungen, Rhythmen und gedankliche Ergänzungen entstehen, dazu Aussagen gefunden werden, die nicht direkt vorhanden sind. Diese Ergänzungen sind Mitbringsel und Beiträge des Beschauers zum Kunstwerk. Nicht nur das, was der Künstler zeigt, ist aktiv. Ein Bild, das scheinbare Unbekannte enthält oder Varianten des Themas, kann die Phantasie des Betrachters meist weitgehender beflügeln als ein Gefüge, in dem alles festgelegt ist und in dem kein Überraschungsfaktor mitschwingt.

Aber wie man sich mit Worten zu stark auf ein Thema festlegen kann, so führt auch ein allzu übersichtliches Formthema zur Einschränkung der Phantasie.“

Quelle: Anton Stankowski: „Bildpläne“, Stuttgart, 1979, S. 8f. 

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