Noch einmal zu Carlo Vivarelli: der in Zürich 1919 geborene Künstler gehört zur Schule der Zürcher Konkreten – genauer: zur zweiten Generation der Konkreten der Zürcher Schule. Zweite Generation deswegen, weil er erst spät in den sechziger Jahren zur gegenstandslosen Kunst kommt. Zunächst war der Grafiker Carlo Vivarelli in den vierziger und fünfziger Jahren einer der führenden Grafiker in der Schweiz, der erst allmählich von der Abstraktion zur Gegenstandslosigkeit kommt.
„In der zweiten Hälfte der 40er und in den 50er Jahren gehört Carlo Vivarelli zu den führenden Schweizer Grafikern. Mit der Gestaltung seiner Prospekte und Inserate steht er in der Tradition konstruktiver Typografie. Die unter Einbezug der Fotografie und der Fotomontage entstandenen Plakate und Signete bestechen durch signalhafte Knappheit und prägnante Ästhetik.
Die Malerei Vivarellis bewegt sich während der 50er Jahre noch im Grenzbereich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. In den 60er Jahren nähert er sich den Zürcher Konkreten an, zu deren zweiter Generation er heute gezählt wird. Der Aufbau seiner Bilder hat ein quadratisches Modul als Grundlage. Auf der zentripetaloder zentrifugal strukturierten Bildfläche entwickelt sich im Rotations-,Degressions- oder Progressionsprinzip ein punktsymmetrisches Kräftespiel der systematisch eingesetzten Farben und Formen.
Die Farbfolgen evozieren eine Räumlichkeit, die in den Betonplastiken der 60er Jahre real umgesetzt wird. Die Farbe, die den Plastiken fehlt, wird durch das Spiel des wechselnden Lichteinfalls wettgemacht. Die Grundform der Plastiken ist der aufgebrochene Kubus. Der anfangs zentral-, später überwiegend linearsymmetrische Aufbau führt mittels Drehungen, Permutationen und Durchdringungen zu einem Dialog zwischen Innen- und Außenform, breiten Flächen und schmalen Kanten, eingefasstem Raum und plastischer Struktur. Bisweilen entstehen durch vertikale Repetition der Module stelenartige Quader; über Eck gestellte Kuben erscheinen in einem labilen Gleichgewicht.

Carlo Vivarelli, Vier konkave und vier konvexe Raumecken, 1972
Adrian Michael, Vivarelli Raumecken2jpg, CC BY-SA 3.0
Wie in seiner Malerei werden die dadurch geschaffenen Spannungen zum eigentlichen Thema. Mit seinen Kunst-am-Bau-Plastiken leistet Vivarelli einen maßgeblichen Beitrag zur konkreten Kunst im öffentlichen Raum. Die Wandmalereien, die Holz- und Metallreliefs sowie die Plastiken aus armiertem Beton, Aluminium oder Chromnickelstahl sind auf die spezifischen architektonischen Situationen hin konzipiert.“
Quelle: Jochen Hesse: Vivarelli, Carlo, 1998, in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4001318&lng=de, Zugriff vom 23.11.2017