In den neunziger Jahren erlebt die Konkrete Kunst eine erste Integration digitaler Technologien und eine verstärkte Auseinandersetzung mit postmodernen Konzepten. Während die traditionellen Prinzipien der Geometrie, der klaren Linien und der reinen Farben beibehalten werden, experimentieren Künstlerinnen und Künstler dieser Zeit verstärkt mit neuen Materialien, digitalen Medien und interaktiven Elementen. Dadurch erhält die Konkrete Kunst eine zeitgemäße Relevanz und erweiterte ihr inhaltliches Spektrum.
Einer der einflussreichsten Künstler der neunziger Jahre in diesem Bereich ist Manfred Mohr. Als Pionier der digitalen Kunst setzt er Computerprogramme ein, um algorithmische Kompositionen zu erschaffen. Manfred Mohr nutzte mathematische Formeln, um komplexe geometrische Strukturen zu generieren, die visuell an klassische Werke der Konkreten Kunst erinnern, jedoch durch ihre digitale Herkunft eine neue Dimension erhalten. Er erforscht insbesondere die Visualisierung von mehrdimensionalen Würfeln und schafft Werke, die Bewegung und Transformation thematisieren.

Ein weiterer bedeutender Vertreter bleibt der Amerikaner Peter Halley, dessen postmoderne Interpretation der Konkreten Kunst auch in den neunziger Jahren weiterhin viel Einfluss hat. Er verwendet geometrische Formen wie „Zellen“ und „Kanäle“, um gesellschaftliche Strukturen zu reflektieren und die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der Welt zu thematisieren. Peter Halleys Werke kombinieren leuchtende Farben mit Rasterstrukturen und industriellen Materialien, was eine kritische Auseinandersetzung mit urbanen Räumen und der digitalen Ära ermöglicht.
In Europa prägen Künstler wie Gerhard von Graevenitz die Szene. Er setzt auf kinetische Objekte und optische Effekte, die durch Bewegung und Licht Interaktionen mit den Betrachtern erzeugen. Seine Werke greifen die Idee der Veränderlichkeit und Dynamik auf und erweitern so die Prinzipien der Konkreten Kunst um zeitbasierte Elemente.
Eine weitere Entwicklung in den neunziger Jahren ist die Verbindung von Konkreter Kunst mit Minimal Art und Installationskunst. Künstler wie Imi Knoebel experimentieren mit großformatigen Rauminstallationen und monochromen Farbflächen. Sie schaffen Werke, die den Raum selbst als künstlerisches Element einbeziehen und die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Architektur verschwimmen lassen.
Insgesamt reflektierte die Konkrete Kunst in den neunziger Jahren die einsetzende digitale Transformation und die Globalisierung. Sie überwindet ihre strenge Formensprache und integriert neue Technologien, interaktive Elemente und gesellschaftskritische Themen. Dadurch bleibt sie nicht nur ästhetisch relevant, sondern auch konzeptionell innovativ und zeitgemäß.