Noch einmal Kreise: die Werke der Japanerin Yuko Nasaka entfalten sich oft im Raum wie eine stille Welle: konzentrische Kreise, reliefartig aus dem Bildgrund herausgearbeitet, rhythmisch, gleichmäßig und doch voller Lebendigkeit. Ihre Kunst ist streng in der Form und zugleich offen im Ausdruck. Wer vor ihren großformatigen Arbeiten steht, erlebt eine Atmosphäre, die an kosmische Bewegungen erinnert – endlos, meditativ, beinahe musikalisch.
Yuko Nasaka wird 1938 in Osaka geboren und stößt Anfang der sechziger-Jahre zur Gutai-Gruppe. Während viele ihrer Kollegen mit spektakulären Performances und gestischen Aktionen internationale Aufmerksamkeit gewinnen, entscheidet sich Yuko Nasaka für eine andere Strategie und zeigt in ihren Werken, Wiederholungen, Strukturen und geometrische Ordnungen. Mit Hilfe eines elektrischen Töpfers zieht sie Kreise in feuchte Oberflächen, die nach dem Trocknen reliefartige Strukturen ergeben. Diese Technik macht ihre Werke unverwechselbar. Sie wirken auf den ersten Blick fast maschinell, als wären sie industriell gefertigt. Doch gerade in ihrer Kombination aus Präzision und handwerklicher Spur liegt ihr Reiz. Kleine Unregelmäßigkeiten, feine Abweichungen im Rhythmus, winzige Unterschiede in der Materialtiefe lassen die Oberfläche atmen. So entstehen Bilder, die sowohl an mechanische Muster erinnern als auch an Naturformen wie Wasserwellen oder Jahresringe.
Yuko Nasakas Kreise sind mehr als ein formales Experiment. Wie vor einigen Tagen geschrieben (Enso) tragen tragen Kreise eine symbolische Dimension. In der japanischen Kultur steht der Kreis oft für Harmonie, Ewigkeit und Vollkommenheit. Yuko Nasaka verwandelt dieses Motiv in eine zeitgenössische Bildsprache, die sowohl abstrakt als auch zutiefst poetisch wirkt. In ihren Arbeiten verbinden sich mathematische Strenge und spirituelle Tiefe zu einer Einheit, die weit über dekorative Wirkung hinausgeht. Ihr Beitrag zur geometrischen Abstraktion ist einzigartig: Sie verbindet Rationalität und Sinnlichkeit, Fläche und Raum, Wiederholung und Variation. Ihre Kreise sind keine bloßen Muster, sondern lebendige Strukturen, die Bewegung und Zeit sichtbar machen. Wer sich ihnen nähert, spürt, dass Geometrie in der japanischen Kunst niemals nur ein formales Spiel ist, sondern ein Medium, um Fragen nach Ordnung, Unendlichkeit und Dasein zu stellen. Yuko Nasaka zeigt, dass Stille genauso radikal sein kann wie Aktion. Ihre Kreise ziehen den Blick ins Zentrum – und zugleich ins Offene.
Jede Menge mehr Informationen und Bilder ihrer (Kreis-)Werke bei YUKO NASAKA | Whitestone Gallery und Yuko Nasaka – Axel Vervoordt
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