Ein weiterer nennenswerter Künstler der japanischen Gutai Gruppe ist Shōzō Shimamoto. 1928 in Osaka geboren, sucht er schon in jungen Jahren nach Wegen, die Grenzen der Malerei zu überwinden. Während in Japan nach dem Krieg noch viele Künstler an traditionellen Formaten festhalten, denkt Shōzō Shimamoto radikal neu: Farbe soll nicht mehr nur aufgetragen, sondern geworfen, geschleudert, gesprengt werden.

1954 gehört er zu den Mitbegründern der Gutai-Gruppe um Jirō Yoshihara. Von Anfang an zählt er zu den treibenden Kräften, die das Manifest „Macht etwas, das noch nie zuvor gemacht wurde!“ in die Tat umsetzen. Seine Experimente mit Farbe werden legendär. Statt Pinsel oder Spachtel benutzt er Flaschen, Kanonen, Ballons. Farbe explodiert, spritzt, ergießt sich über Leinwände und Böden. Aus dem Akt der Zerstörung entsteht eine neue Form von Malerei, die zugleich Aktion und Bild ist.
Seine bekanntesten Werke entstehen in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre: Shōzō Shimamoto lässt mit Farbe gefüllte Flaschen auf eine Leinwand krachen. Der Aufprall zerstört das Gefäß, verteilt die Farbe unberechenbar – jede Explosion wird zum unwiederholbaren Ereignis. Das Werk ist zugleich Spur und Dokument eines Moments. Diese Methode wird zu seinem Markenzeichen, eine Art japanischer Action Painting, die sich jedoch klar von Jackson Pollock unterscheidet: Wo Pollock kontrollierte Rhythmen sucht, überlässt Shōzō Shimamoto vieles dem Zufall und der Materialgewalt.
Shōzō Shimamoto sieht in seinen Aktionen übrigens auch eine politische Dimension. Nach den Schrecken des Krieges empfindet er Kunst als ein Feld, in dem Freiheit und Unvorhersehbarkeit wieder Platz finden. Die Zerstörung der Flaschen und das damit einhergehende Platzen der Farbe sind für ihn Zeichen für einen Neubeginn – für die Möglichkeit, aus Chaos etwas Schönes entstehen zu lassen.
Auch nach der Auflösung der Gutai-Gruppe bleibt Shōzō Shimamoto aktiv. Ab den achtziger-Jahren reist er durch Europa und führt spektakuläre Aktionen auf: In Italien wirft er Farbballons aus einem Helikopter auf großformatige Leinwände. Später nutzt er Kanonen, um Farbe mit voller Wucht auf Flächen zu schießen. Die Performances sind ebenso Theater wie Malerei, und doch bleibt das Ergebnis stets ernsthafte Kunst – Spuren von Energie, eingefroren in Farbe.
Bis ins hohe Alter bleibt Shōzō Shimamoto experimentierfreudig. Seine Performances ziehen internationale Aufmerksamkeit auf sich, und er gilt heute als einer der radikalsten Maler Japans. Seine Kunst ist laut, bunt, kompromisslos – und zugleich ein Ausdruck tiefer Freiheit.
Eine Einführung in sein Wirken:
Jede Menge mehr Informationen zum Künstler auf den Webseiten der Shōzō Shimamoto Assoziation.
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