Gillo Dorfles – 100 Jahre Kunstgeschichte

Geboren in Triest im damaligen Österreich-Ungarn als Sohn eines Schiffsingenieurs und einer genuesischen jüdischen Mutter, schließt Gillo Dorfles zunächst ein Medizinstudium mit Spezialisierung auf Psychiatrie ab. Fasziniert von den abstrakten Zeichnungen, die sein Vater anfertigt, widmet er sich parallel zu seinem Medizinstudium seit den frühen dreißiger Jahren dem Studium der Malerei, Ästhetik und der Künste im Allgemeinen. Die Kenntnis der Anthroposophie Rudolf Steiners, die er ab 1934 durch die Teilnahme an einer Tagungsreihe erlangt, orientiert seine Bildkunst an der Mystik und weist eher auf eine Nähe zu den künstlerisch vorherrschenden Themen des mitteleuropäischen Raums hin als zu der typischen, zeitgenössischen italienischen Malerei.

Gillo Dorfles, between Art and Design, italienisch mit englischen Untertiteln.

Als Professor für Ästhetik an den Universitäten Mailand, Cagliari und Triest gründete er 1948 zusammen mit Atanasio Soldati, Galliano Mazzon, Gianni Monnet und Bruno Munari die Bewegung Movimento per L’Arte Concreta (MAC), deren Positionen er definierte und präzisierte durch eine Vielzahl von Artikeln, Essays und künstlerischen Manifesten. In den fünfziger Jahren nimmt er an zahlreichen MAC-Ausstellungen in Italien und im Ausland teil und wird international einem großen Publikum bekannt.

In den fünfziger Jahren ist Gillo Dorfles zunächst Mitglied einer italienischen Sektion der ESPACE-Gruppe. Dann beteiligt er sich an der Gründung der Vereinigung für Industriedesign. Fortan liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit eher im Bereich des Industriedesgins und wieder widmet er sich dabei auch der kritischen, literarischen Auseinandersetzung mit den künstlerischen Themen der Zeit. Er wird zu einem der bekanntesten Kunstkritiker Italiens. Erst in den achtziger Jahren kehrt er mit einer Einzelausstellung in Mailand wieder dazu zurück, sein bildnerisches Schaffen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Gillo Dorfles stirbt 2018 mit fast 108 Jahren. Seine literarischen Auseinandersetzungen und Kunstkritiken haben die italienische Kunst über Jahrzehnt beeinflusst und seine Bedeutung für die moderne italienische Kunst ist kaum zu überschätzen.

Ein wirklich lesenswerter Artikel über den Künstler, der über einhundert Jahre Kunstgeschichte geschrieben hat ist in der Neuen Zürcher Zeitung erscheinen: Seismograf der Gegenwart | NZZ

Mit Gillo Dorfles beende ich meine kleine Reihe von konkreten Künstlern Italiens fürs Erste. Irgendwann bestimmt mehr dazu.

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