Nach Gutai und Mono-Ho jetzt weiter zur konkreten Kunst in Japan. Sie entwickelt sich – wie in vielen westlichen Ländern – seit den fünfziger-Jahren als eine Strömung, die jenseits von figurativer Darstellung und expressiver Geste eine neue Sprache der Kunst sucht. Ihr Ausgangspunkt liegt, wie schon so oft hier erläutert, in Europa, bei Theo van Doesburg, Max Bill und den Ideen des Bauhauses. Doch in Japan erhält die gegenstandslose Kunst eine eigene Dynamik, getragen von Künstlerinnen und Künstlern, die nach dem Krieg eine radikale Neuorientierung wagen.
Die Nachkriegszeit in Japan ist, ähnlich wie in Europa, geprägt von Zerstörung, Wiederaufbau und einem tiefen Bedürfnis nach Erneuerung. Viele junge Kunstschaffende wenden sich ab von der traditionellen Malerei, aber auch von der westlichen Abstraktion, die oft von subjektivem Ausdruck geprägt ist. Stattdessen suchen sie nach einer Kunst, die klar, rational und universell verständlich ist. Die konkrete Kunst erscheint als ideale Antwort: Sie will nichts darstellen, nichts symbolisieren, sondern sich selbst zeigen – in Form, Farbe und Material.
Hauptsächlich in Tokio und Osaka entstehen ab den späten fünfziger Jahren Ateliers und Galerien, in denen sich Künstlerinnen und Künstler der geometrischen Abstraktion und der Konkreten Kunst verschreiben. Sie experimentieren mit geometrischen Formen, klaren Linien, reinen Farben. Kreise, Quadrate und Dreiecke werden in strengen, oft seriellen Anordnungen auf die Leinwand gebracht. Die Werke sind präzise komponiert und folgen mathematischen oder rhythmischen Prinzipien. Ziel ist es, eine universale Bildsprache zu schaffen, die frei ist von kultureller oder ideologischer Bindung.

Gleichzeitig ist die japanische konkrete Kunst aber mehr als eine reine Übernahme westlicher Vorbilder. Sie trägt eine eigene Sensibilität in sich: die Verbindung von Strenge und Leichtigkeit, von Rationalität und poetischem Empfinden. Künstler wie Tadasky (Tadasuke Kuwayama) mit seinen hypnotischen Kreisen oder Minoru Onoda mit seinen seriellen Punkten entwickeln eine Bildsprache, die sowohl international anschlussfähig ist als auch tief in einer japanischen Tradition der Reduktion und Konzentration wurzelt.
Die konkrete Kunst in Japan versteht sich oft als Gegenentwurf zu den expressiven Gesten der Gutai-Gruppe oder den stillen Materialbeziehungen der Mono-ha–Künstlerinnen und Künstler. Sie setzt auf Ordnung statt Chaos, Klarheit statt Zufall. Doch in ihrer Strenge liegt auch eine besondere Schönheit: Die Farbflächen pulsieren, die geometrischen Formen erzeugen Rhythmus, die Wiederholung schafft meditative Intensität.
Einige wenige konkrete Künstlerinnen und Künstler werde ich in den kommenden Tagen hier vorstellen. Die konkrete Kunst in Japan ist unheimlich vielfältig und nicht klar abzugrenzen – Gutai und Mono-Ha haben jede Menge Berührungspunkte mit Konkreter Kunst und viele Werke Kunstschaffender dieser Bewegungen könnten durchaus auch mit dem Attribut „konkret“ versehen werden.