Luisa Richter, das tropische Licht und die Flächenräume

Noch einmal zu Luisa Richter, der Wandernden zwischen zwei Welten – zwischen der venezolanischen Millionenstadt Caracas und dem schwäbischen Örtchen Besigheim, nicht weit von Ludwigsburg und Stuttgart entfernt. Eine Malerin, die in Schwaben nur wirklichen Insidern bekannt ist, in ihrer neuen Heimat Venezuela aber zu den bekanntest Künstlern der jüngeren Vergangenheit gehört.

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Plakat zu Ausstellung von Gego und Luisa Richter im Kunstmuseum Stuttgart, 2014

Nach der Übersiedlung mit ihrem Mann nach Venezuela im Jahre 1955, vertraut sie ihrem Tagebuch einst die folgenden Sätze an: „Die tropischen Breiten überflutet ein Meer von Licht, immer mehr Licht und eine weite atmosphärische Klarheit. Etwas unwiderstehlich Verlockendes, wo es nur einen fortlaufenden Sommer gibt, während des ganzen Jahres, wo die Hitze bleiern auf der Erde lastet und eine dumpfe Schwere zuweilen alle Tatenlust lähmt.“

„Ihre Malerei bekommt [in Venezuela] einen neuen Schub, wird eigensinniger und abstrakter und fängt an, das Licht, die Erdfarben und Eindrücke der neuen Heimat widerzuspiegeln.

Vor allem ihre sogenannten Flächenräume sind vom tropischen Licht inspiriert: großformatige Arbeiten auf Leinwand, bei denen das Licht alles Feste bricht. Das, was da vielleicht einmal Fenster- oder Türrahmen, Balkonbrüstung, Häuserreihe, Wolkenfront oder Bergkette war, wird durch die Herrschaft dieses Lichtes zur Abstraktion transzendiert. Nur noch Konturen und Fragmente der Dinge verbleiben und formieren sich zu geometrischen Wechselspielen, die dem Raum vordergründig noch so etwas wie Struktur und Gleichgewicht verleihen, während sich dahinter das Universum auftut. Nicht der Einsatz von grellen Farben führt zu diesen Lichtbrechungen.

Zwar wird Weiß in vielen Spielarten verwendet, der Gesamteindruck der Flächenräume ist auf den ersten Blick jedoch fast trüb. Es dominieren Pastellfarben, die einen beinah staubig-dunstigen Film über die Bilder legen. Erst bei anhaltender Betrachtung beginnt das Leuchten und ein Verständnis für dieses eigentümliche Licht; ebenso dauert es ein wenig, bis man das Gleichgewicht der Formen fühlt und durch die abstrakten Prismen ins Unendliche blickt.

Durch ihr Werk, das neben der Malerei auch aus Collagen besteht, wird Luisa Richter zu einer der bekanntesten zeitgenössischen Künstlerinnen Lateinamerikas. … 1978 vertritt sie Venezuela mit den Flächenräumen auf der Biennale in Venedig, was ihr auch international zum Durchbruch verhilft.“

Quelle: Christian Hillengass: „Von Stuttgart nach Caracas“, taz. die tageszeitung, 02.05.2014, S. 16

 

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