Gestern habe ich über die Otto Boll Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal geschrieben. Seine minimalistischen Skulpturen, die er selbst auch als Luftlinien bezeichnet, verlangen eine direkte Interaktion mit dem Betrachter. Die besondere Eigenheit der Skulpturen ist es, dass sie sich der Reproduzierbarkeit, zum Beispiel durch Fotografie, entziehen bzw. in der Reproduktion wesentlicher Merkmale beraubt werden, so der Künstler. In einem Artikel des Kunstforums werden der fast philosophische Bedeutung der minimalistischen Skulpturen von Otto Boll beschrieben. Hier ein Auszug:

Quelle: Dierking, Zürich, Cologne Fine Art, Köln, 2015
„Otto Boll fordert die unmittelbare Auseinandersetzung mit seinen beinah haardünnen Strahlen, Winkeln, Kreisen, Ellipsen. Das grundsätzliche Problem, wie weit lässt sich Kunst überhaupt mittelbar wiedergeben, treibt Boll auf die Spitze, denn außerhalb der direkten Beziehung Betrachter – Objekt bleibt nichts – ein blasses Zeichen, das über kaum mehr Auskunft gibt als über die schiere geometrische Form.
So dezidiert wie die Aufforderung zur Unmittelbarkeit, ist auch die Offenheit seiner geometrischen Plastiken. Offen ist einmal ihre räumliche Präsenz, Offenheit ist zum anderen ihre eigentliche Aussage. Offenheit nicht im Sinne von Beliebigkeit, sondern als Potentialität. »Ich will dem nachspüren, was ich hoffe zumindest teilweise finden zu können: Sichtbares, das noch nicht sichtbar ist; räumliche Erweiterung des Denkens und Fühlens. Die Explosion des Nichts als eine philosophische Vorstellung, als eine Vorstellung, Erreichbares erreichbar zu machen. … Die Vorstellung, in ein Nichts zu tauchen, die Kraft, ein Nichts aufzureißen, zu sprengen, das Drängen zu dem, was noch nicht sichtbar ist – all das soll meine Arbeit als versuchtes Festhalten, Protokollieren dieses Vorgangs unterstützen. Vielleicht die Sichtbarmachung von Möglichkeit als Vorgang und nicht als Ziel. Meine Arbeit ist nicht ein mögliches Ziel, sie soll dazu beitragen, das Wesen der Möglichkeit als Vorgang zu verstehen und zu empfinden. Das Verstehen und Empfinden dieses Vorgangs ist wichtig, um überhaupt ein neues Etwas, ein Ziel zu erreichen.« …
Spannung will Boll erzeugen, was er formal zum Ausdruck bringt durch das spitze Auslaufen seiner schwebenden Stahlstäbe und durch akzentuierte Unterbrechungen im Linienverlauf. Spannung als Zustand des Schöpferischen. Das Neue, von dem Boll in diesem Zusammenhang spricht, wird nicht definitiv benannt, es ist kein konkretes Etwas, auf das zielstrebig zuzusteuern ist. Boll bemängelt, wenn er von Utopien spricht, dass sie sich auf Ziele fixieren, ohne das Phänomen der Änderung, der Entwicklung zu berücksichtigen: Was heute gilt, bedarf morgen vielleicht schon der Korrektur. So enthält denn der Begriff des Neuen, den Boll mit seiner Arbeit anspricht, zugleich auch die Skepsis gegenüber dem Neuen um jeden Preis. Weniger das Produkt ist wichtig als die Präzision der Wahrnehmung, die das nicht Erkannte genauso findet, wie sie hinter dem allzu Bekannten das je Verborgene entdeckt.“
Quelle: Michael Hübl, „Otto Boll – die Linie als Weg“, Kunstforum Online, unter: https://www.kunstforum.de/artikel/otto-boll/ , aufgerufen am 21.06.2019
Die Webseite des Künstlers gibt leider nicht viel her (ottoboll.com); eine Reihe von Werken des Künstlers sind bei Ocula zu finden : Otto Boll.
Weitere Informationen zu Otto Boll auch auf den Seiten der Galerie Dierking in Zürich: Otto Boll