Max Bill: Variationen über ein Thema

Vorgestern habe ich hier einen Text über das Dreieck, dass rund wird, veröffentlicht. Dieses Dreieck ist Teil einer Werkreihe von Max Bill aus den Jahren 1935 bis 1938 mit dem Namen: „fünfzehn Variationen über ein Thema“. Er selbst hat über diese Variationen folgendes geschrieben:

Den Entschluss die Variationen „… in der vorliegenden Form zu veröffentlichen, fasste ich aus der Erkenntnis heraus, dass sich viele Kunstfreunde nicht klar sind über die Entstehung von Kunstwerken und über deren inneren und äusseren Aufbau. Obschon es möglich ist, unsere Werke zu lieben ohne sie verstanden zu haben, ist es kaum möglich sie voll zu geniessen, ohne die bei ihrer Entstehung angewandten Methoden wenigstens zu ahnen.

Um einen Einblick zu geben in eine Gruppe solcher Methoden … wird auf verschiedene Zusammenhänge hingewiesen, welche im Thema und in den fünfzehn Variationen erkennbar sind und welche dieselben verbinden.

Innerhalb dieser eng gezogenen Grenzen liegen soviele Variationsmöglichkeiten, dass man schon darin, dass ein einziges Thema, das heisst eine einzige Grundidee, zu fünfzehn, sehr verschiedenen Gebilden führt, einen Beweis erblicken kann, dass die konkrete Kunst unendlich viele Möglichkeiten in sich birgt. Solche gesetzmässige Konstruktionen, welche ausserhalb jeder schematischer „Proportionierung“, lediglich aus ihren inneren Gegebenheiten entwickelt sind, können je nach persönlichem Willen und Temperament, auf jedem frei gewählten Thema, vollkommen andersartig aufgebaut werden und je nach Wahl des Themas, ob kompliziert, ob einfach, zu den verschiedensten Gebilden führen. Diese Methode der Verwandlung und Umkleidung einer Grundidee, eines Themas, in bestimmte, verschiedenartige und abgeleiteteAausdrucksformen wird auf dem Gebiet der konkreten Kunst, von verschiedenen Künstlern, mehr oder weniger angewandt. die Kenntnis dieser Methoden ermöglicht es dem Beschauer Rückschlüsse zu ziehen auf diejenigen Methoden, durch welche andere Werke entstanden sind. Viele derselben sind wesentlich komplizierter aufgebaut wie die „fünfzehn Variationen über ein Thema“ und erscheinen trotzdem einfacher, auch für den eingeweihten ist der konstruktive Gedanke oft schwer erkennbar, denn im allgemeinen tritt, im Gegensatz zum Variationenwerk, im Einzelwerk der persönliche Kompositionswille in einer bestimmten Richtung viel stärker zu Tage und sind individuelle Auslegungen eher möglich und zulässig, als innerhalb einer streng aufgebauten Variationengruppe.“

Quelle: Max Bill, „quinze variations ur un même thème“, zitiert aus: max bill, die grafischen Reihen, Hrsg.: Landkreis Esslingen anlässlich der gleichnamigen Ausstellung, Kulturamt, Stuttgart, 1995, S. 19

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