Max Bill und die mathematische Denkweise in der Kunst I

Max Bill ist durchaus davon überzeugt, dass es möglich ist, die Werke der Konkreten „… zu lieben ohne sie verstanden zu haben, doch ist es kaum möglich, sie voll zu genießen, ohne die bei ihrer Entstehung angewandten Methoden wenigstens zu erahnen.“ Und diese Methoden sind mathematische Methoden!

Für Max Bill soll Konkrete Kunst mathematische Denkweisen in der Kunst sichtbar machen. Er entwickelt künstlerische Variationen über mathematische Themen, so beispielsweise sein Variationsreihe eines gleichseitigen Dreiecks, dass in ein gleichseitiges und gleichwinkliges Achteck in fünfzehn Entwicklungsschritten überführt wird.

Aber Max Bill „… ist kein Dogmatiker, er ist kein Opfer seiner Liebe zur Geometrie, weil er nicht daran denkt, ihr zuliebe auf künstlerische Freiheit, Initiative, Phantasie zu verzichten. Der Künstler Bill tut, was der Mathematiker … zu leisten nicht in der Lage ist. Er trifft seine Wahl unter den unendlich vielen Möglichkeiten der Veränderbarkeit, die beispielsweise ein Thema ‚Vom Drei-Eck zum Acht-Eck‘ anbietet: fünfzehn Variationen, nicht mehr und nicht weniger. Die Auswahlkriterien liegen außerhalb der mathematischen Disziplin, nämlich im visuellen Bereich. Denn ‚das menschliche Denken bedarf einer Stütze im visuellen‘, erklärt Bill …“ und behauptet weiter: ‚Die Kunst kann das Denken vermitteln in einer Weise, dass der Gedanke direkt wahrnehmbare Information ist.‘ Damit ist der Kernsatz der mathematischen Denkweise formuliert: Die Geometrie wird nicht als Zwang verstanden, die dem Künstler Unterwerfung abverlangt. Sie liefert ihm vielmehr das Material, in dem er seine Intentionen realisiert.“

Quelle: Gottfried Sello: „Das Dreieck, das rund wird“, 12.03.1976, a Zeit online, unter: http://www.zeit.de/1976/12/das-dreieck-das-rund-wird

2 Gedanken zu “Max Bill und die mathematische Denkweise in der Kunst I

  1. Ob es den Katalog zu dieser Ausstellung noch gibt? Habe mal geforscht, aber nichts gefunden.
    Die Skulptur Kontinuität, die ja inzwischen ein paarmal umgezogen ist, habe ich, als sie 1986 vor der Deutschen Bank aufgestellt wurde, sehr bewundert. Kontinuität auch in den unendlichen Verwicklungen dieses Bankhauses, fast ein Sinnbild dafür, ohne vom Künstler geahnt zu werden, oder doch?😊

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    • Die Ausstellung wurde 1976 in Hamburg, Berlin und Stuttgart gezeigt. Den Katalog kannst du vielleicht noch in einem Antiquariat bekommen, bin mir aber auch nicht sicher. Hier die Daten:
      Max Bill. Katalog zu den Ausstellungen in Hamburg, Berlin, Stuttgart 1976.
      Verlag: Hamburg, Kunsthalle, 1976

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